Kinder- und Jugendmarketing: Die Jüngsten umwerben

Kinder- und Jugendmarketing: Die Jüngsten umwerben Diesen Regeln folgt Werbung für Kinder und Jugendliche

Noch nie nutzten Kinder so früh digitale Medien. Damit erhalten Werbetreibende direkten Zugang zu Kindern und vor allem zu Jugendlichen. Doch beim Kinder- und Jugendmarketing gelten höhere ethische Ansprüche. Ausserdem akzeptieren gerade die Jugendlichen primär das, was in ihrer Social Bubble angesagt ist.

Ein Kleinkind mit einem Spielzeug-Handy
Wenn Unternehmen mit ihrer Werbung gezielt Kinder und Jugendliche ansprechen, sollten sie eine verantwortungsvolle Strategie entwickeln.

Zwar steht das klassische Fernsehen bei den 3- und 4-Jährigen nach wie vor an erster Stelle. Doch danach nutzt die Generation Alpha mit Jahrgängen ab 2011 das Tablet der Eltern. Ihr erstes Handy erhalten sie durchschnittlich mit zehn Jahren. Damit schauen sie Videos, spielen und surfen im Internet. Beliebte Kanäle sind YouTube und Netflix. Analoges Fernsehen konsumieren sie im Kreis der Familie, doch je älter sie werden, desto mehr verliert dies an Bedeutung. Zu diesen Ergebnissen kommt die qualitative Studie «Zielgruppe von morgen: Inside Generation Alpha», die EssenceMediacom in Zusammenarbeit mit GroupM Science 2023 durchführte.

Um dieses Bild zu relativieren: Laut der MIKE-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften von 2021 prägen Spielen, Sport und soziale Kontakte die Freizeit von Primarschulkindern in der Schweiz. Erst dann folgt mit Gaming eine digitale Tätigkeit. Auch ging die Nutzung digitaler Medien nach der Corona-Pandemie wieder auf das vorherige Niveau zurück.

Soziale Netzwerke und andere Internet-Anwendungen gehören zum Alltag der Jugendlichen, stellte Sucht Schweiz 2022 in der nationalen Schülerinnen- und Schülerstudie fest. Demnach spielten etwa ein Sechstel der 15-jährigen Schulkinder täglich online Videogames. Davon hatten etwa 3 Prozent eine «problematische Nutzung». Dieser Anteil liegt bei den 80 Prozent der 15-Jährigen, die täglich auf sozialen Netzwerken verkehren, sogar bei 7 Prozent. Sucht Schweiz hielt deshalb fest: «So scheinen die meisten Jugendlichen die ihnen gebotenen Möglichkeiten ohne grössere Probleme zu nutzen, doch für einige führt die Online-Welt zu Schwierigkeiten.»

Frühe Markenprägung

Was Untersuchungen ebenfalls belegen: Kinder reagieren schon im Alter von zwei oder drei Jahren auf Logos. Zu diesem Resultat kam bereits 2016 die Studie «Little Big Influencers» von Viacom International Media Networks, für die 3600 Kinder zwischen sechs und 13 Jahren sowie deren Eltern online befragt wurden. Sie stammten aus Belgien, Dänemark, Deutschland, den Niederlanden, Polen und Schweden. Eine Studie der deutschen Agentur KB&B, die sich als «Family Marketing Experts» bezeichnet, bestätigte 2019, dass Kinder Marken und Markenimages bewusst wahrnehmen und diese Teil ihrer Identität und Identitätsbildung werden. Solche frühen Prägungen halten oft ein Leben lang an, was die Wichtigkeit der Zielgruppe für das Marketing zeigt.

Auch die Kaufkraft dieser jungen Zielgruppe ist höher als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten. Denn das verstärkte Vertrauen der Eltern zeigt sich auch beim Taschengeld, das die Mehrheit der befragten Kinder erhält. Laut der Viacom-Studie, für die auch 416 Schweizer Kinder und deren Eltern Rede und Antwort standen, verfügen Kinder in der Schweiz über eine jährliche Kaufkraft von rund 400 Millionen Schweizer Franken. 62 Prozent dürfen alleine entscheiden, ob sie ihr Taschengeld ausgeben oder sparen möchten. Kids kaufen sich vor allem Süsses, Spielzeug, Getränke und Snacks, Comics und Computerspiele. Knaben sparen vor allem für Spielsachen (20 Prozent) und Videospiele (18 Prozent), Mädchen für Kleidung (18 Prozent) und für Smartphones (15 Prozent).

Dass Jugendliche selbstständig Finanzentscheidungen treffen können, ist ein Trend, der sich mit dem Jugendlohn weiter verstärkt. Junge Menschen ab rund 12 Jahren erhalten von ihren Eltern einen fixen monatlichen Betrag zugewiesen, den sie selbst verwalten können und mit dem sie alles bezahlen müssen, was zuvor gemeinsam festgelegt wurde. Die Idee dahinter: die Finanzkompetenz der Jugendlichen zu stärken.

Darüber hinaus sind Kinder und Jugendliche wichtige, familieninterne Entscheider. Das zeigt eine weitere Studie von KB&B aus dem Jahr 2023, für die 1523 Kinder und ihre Eltern online befragt wurden. In rund 60 Prozent der befragten Familien werden mindestens einmal pro Woche gemeinsame Kaufentscheidungen getroffen.
Je nach Kategorie reden die Kinder in unterschiedlichem Mass mit:

  • Freizeitaktivitäten (83%)
  • Spielzeug (77%)
  • Lebensmittel (71%)
  • Urlaubsreisen (71%)
  • Elektronikgeräte (60%)
  • Möbel (50%)
  • Autokauf (38%)

«Weil Kinder leichter beeinflussbar sind, ist unsere Verantwortung grösser.»

Carola Laun, Inhaberin Kinder & Jugend Marketing Kontor

Porträt Carola Laun, Inhaberin Kinder & Jugend Marketing Kontor

Comic-Figuren und sprechende Tiere

Wie bei allen Zielgruppen gilt auch bei Kindern und Jugendlichen: Sie müssen spezifisch angesprochen werden. Wer Jugendmarketing betreiben möchte, muss also deren Lebenswelt und Bedürfnisse verstehen. Jüngere Kinder lieben es, wenn sie selbst als Helden dargestellt werden. Bei allen Altersgruppen ab sechs Jahren kommen humorvolle Darstellungen an und erzeugen die beste Markenerinnerung.

So setzen Marketing-Experten bei Kindern auf Comic-Figuren und sprechende Tiere aus ihren Lieblingsserien. Passend dazu gibt es Websites mit Spielen, Videos und Musik, wo sich der Unterschied zwischen Werbung und Unterhaltung verwischt.

Doch Kinder- und Jugendmarketing hat seine problematischen Seiten. Kinder können Werbung kaum hinterfragen und wissen oft nicht, dass sie suggestiv ist. Wie medienaufgeklärt Kinder sind, hängt davon ab, ob, wann und wie Medien und Werbung in der Schule und zuhause zum Thema werden. Bei Formaten wie Native Advertising, bei denen Werbung redaktionellen Inhalten ähnelt, ist das Unterscheiden für Kinder besonders schwierig. Nur die Hälfte der 12- bis 15-Jährigen ist sich bewusst, dass YouTuber und Blogger mit Produktplatzierungen Geld verdienen. Auch bei den Suchergebnissen auf Google haben Kinder Mühe, zwischen Textanzeigen und organischen Einträgen zu unterscheiden. Dies zeigte 2015 eine Umfrage der britischen Medienregulierungsbehörde Ofcom, wonach dies nur 31 Prozent der befragten Kinder zwischen 12 und 15 Jahren gelang. Bei den 8- bis 11-Jährigen waren es 16 Prozent.

Kritische Eltern

Damit, dass die Werbung ihre Kinder anspricht, haben Eltern zunehmend Mühe, wie eine Umfrage des deutschen Online-Marktforschungsinstituts MediaAnalyzer von 2019 zeigt. 48 Prozent der befragten Mütter findet es «unpassend oder störend», dass Kinder und Jugendliche für das Marketing als Zielgruppe gelten. Dabei hängt die Ablehnung stark vom Inhalt der Werbung und vom Alter der Kinder und Jugendlichen ab. «Während die meisten Mütter das Bewerben von Spielzeug und Bastelmaterial in Ordnung finden, nimmt die Akzeptanz bei Werbung für Süssigkeiten, Fanartikel und Kleidung bereits ab. Am wenigsten Verständnis haben Mütter aber für gezielte Kinderwerbung für Smartphones, (mobile) Games, Gewinnspiele und Fastfood», schreibt MediaAnalyzer. Und je jünger die Kinder sind, desto grösser ist die Skepsis ihrer Mütter.

In der Schweiz nahmen die Stimmberechtigten 2022 die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» an. Seit dann besteht ein Verbot jeglicher Tabakwerbung, die Kinder und Jugendliche erreichen kann. Untersagt ist es ausserdem, während und nach Sendungen, die sich an Kinder und Jugendliche richten, Alkoholwerbung auszustrahlen.

Bei Beschwerden von Konsumentinnen bezieht sich die Schweizerische Lauterkeitskommission auch auf den Kodex zur Werbe- und Marketingkommunikation der Internationalen Handelskammer. Dieser hält fest: «Bei Marketingkommunikation, die sich an Kinder und Jugendliche richtet, muss besondere Sorgfalt verwandt werden.»

«Sich selbst ein Bild machen können»

Auf diesen Aspekt weist auch Carola Laun vom Kinder & Jugend Marketing Kontor hin, die als Dozentin an der NPO-Academy das Online-Seminar «Kinder- und Jugendmarketing für Vereine und NPOs» anbietet. «Weil Kinder leichter beeinflussbar sind, ist unsere Verantwortung grösser», sagt sie.

Die Kunden des Kinder & Jugend Marketing Kontors sind gemeinnützige Unternehmen, die Kinder und Jugendliche schon früh an ihre Themen und ihre Organisation heranführen wollen. Carola Laun: «Kinder müssen informiert werden, damit sie sich selbst ein Bild machen können.»

Die Industrie setzt beim Kinder- und Jugendmarketing bisher vor allem auf freiwillige Massnahmen. Swiss Pledge ist eine Initiative von Lebensmittel- und Getränkeproduzenten mit dem Ziel, das eigene Werbeverhalten gegenüber Kindern unter 12 Jahren zu regeln. Ende 2019 wurden für die 11 Mitgliederfirmen (darunter CocaCola, Nestlé, Kellogg’s und McDonald’s) zudem einheitliche Nährwertkriterien pro Produktkategorie eingeführt. So dürfen Zucker, gesättigte Fettsäuren und Natrium der beworbenen Produkte nur in begrenzten Mengen vorkommen.

Nach einer Untersuchung der ZHAW («Kriterien zur Beurteilung für das an Kinder gerichtete Lebensmittelmarketing») stellte der Konsumentenschutz Schweiz 2023 jedoch fest, «dass die Mehrheit der Produkte, welche gemäss Swiss Pledge beworben werden, aufgrund der Nährwert-Kriterien der WHO nicht vermarktet werden dürften». Bei der anstehenden Überarbeitung des Lebensmittelgesetzes fordert der Konsumentenschutz gesetzliche Grundlagen, damit «unfaire Werbung für ungesunde Produkte auch in der Schweiz eingeschränkt» werden kann.

Social Bubble und Freundeskreis

Doch lassen sich junge Zielgruppen überhaupt von klassischer Werbung beeinflussen? Zumindest bei Jugendlichen muss das in Frage gestellt werden. Simon Schnetzer, Experte für die Generationen Y und Z und Co-Autor der von der Agentur jim & jim herausgegebenen Studie «Junge Schweizer*innen 2022» bezeichnet «Qualität, Preis und Coolness» als die drei wichtigsten Kriterien beim Kauf von Produkten – und das, was in der Social Bubble angesagt ist. «Die wichtigsten Influencerinnen und Influencer aber kommen nach wie vor aus dem Freundeskreis», sagt Schnetzer.

«Wir wissen aus eigener Erfahrung, wie die Jungen TikTok konsumieren.»

Michèl Kessler, Head of Creative, Zeam

Porträt Michèl Kessler, Head of Creative, Zeam

Auch Carola Laun vom Kinder & Jugend Marketing Kontor hat die Erfahrung gemacht, dass eine 1:1-Ansprache von Jugendlichen zu Jugendlichen die Glaubwürdigkeit des Absenders und der Botschaft erhöht. Dies wirkt auch oder gerade, wenn die jugendlichen Werbeträger, «einen Tick älter sind» als die Zielgruppe.

Noch einen Schritt weiter gehen Agenturen, deren Mitarbeitende selbst noch Jugendliche sind oder dies zumindest bis vor kurzem waren. Dazu gehört Zeam. Mitgründerin der Agentur und bekanntestes Gesicht ist die Unternehmerin Yaël Meier, die im Jahr 2000 geboren wurde.

Der Anspruch von Zeam: «Wir machen Unternehmen relevant bei der Generation Z & Alpha.» Für Michèl Kessler, Head of Creative bei Zeam, ist es nur von Vorteil, «wenn wir aus eigener Erfahrung wissen, wie die Jungen TikTok konsumieren». Um zu wissen, was und wie es den Generationen Z und Alpha gefällt, arbeitet bei Zeam ein Team von über 30 jungen Menschen «aus verschiedenen Bubbles».

Für Unternehmen, die sich mit ihrem Marketingprojekt an Zeam wenden, lohnt sich dieser indirekte Zugang zu den jüngeren Zielgruppen. Für das Schuhhaus Dosenbach baute Zeam den «organisch reichweitenstärksten TikTok-Unternehmenskanal der Schweiz» auf. Und vor der Einführung einer neuen Mini-Cookie Sorte der Migros Marke M-Budget motivierte Zeam 192'000 junge Menschen dazu, ihre Stimme für einen neuen Geschmack abzugeben: Cornflakes oder Haselnuss?

So machen Sie TikTok zu einem wirkungsstarken Touchpoint

Überlassen Sie TikTok nicht Ihrer Konkurrenz. Denn auf kaum einer anderen Plattform können Sie sich Ihrer Zielgruppe so sympathisch präsentieren. Unser Leitfaden mit zahlreichen Tipps zeigt Ihnen, wie Sie den Einstieg schaffen, eine Community aufbauen und sie begeistern.

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Votings, aber auch Challenges sind neue Formate, die die Jugendlichen auffordern, mitzumachen und sich einzubringen. Es ist eine spielerische, unbeschwerte und schnelle Form des Marketings, die nicht mehr als ein paar Sekunden Aufmerksamkeit fordert und viel Spass und Spannung, sprich Unterhaltung bietet. Das eigentliche Ziel, die Vermarktung eines Produkts rückt dabei weit in den Hintergrund.

Trotzdem werden die Ziele erreicht: nämlich eine Marke oder ein Produkt bekannt zu machen. So sind beim Jugendmarketing nicht nur die richtigen Kanäle und die richtigen Gesichter wichtig, sondern auch die richtige Form. All das verlangt von den Werbetreibenden immer wieder, den schnellen Puls der Zeit zu fühlen. Aber das war eigentlich schon immer so.

Sprechen Sie einen Boomer nie mit «Boomer» an!

Ob Silent, Babyboomer, X, Y, Z oder Alpha. Jede Generation hat ihre Kommunikationsvorlieben und eigenen Verhaltensweisen. Wenn Sie bei ihnen ankommen wollen, müssen Sie sie generationengerecht ansprechen. Unser Leitfaden zeigt Ihnen, auf was Sie achten müssen.

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